Berlin, 10. August 2023
● Im Sektor Landwirtschaft und Landnutzung zeigt sich bis 2035 ein Reduktionspotential von 295 Millionen t CO2e
● Kernmaßnahmen sind u. a.: Ausweitung des EU-Emissionshandels auf tierische Produkte, Wiedervernässungsgebot von Mooren auf europäischer Ebene und die Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme
Im Agrarsektor klafft aktuell eine Lücke von 704 Millionen Tonnen (Mio. t) Treibhausgasemissionen (THG), die Deutschland durch zusätzliche Maßnahmen einsparen muss, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Alle Sektoren zusammengenommen, liegt die Deckungslücke in der deutschen Klimapolitik aktuell bei 3.235 Mio. t CO2e. Das hat GermanZero überschlägig berechnet und legt als Lösungsvorschlag das Klimanotstandspaket vor, das für jeden Sektor Kernmaßnahmen benennt, über die sich insgesamt 65 Prozent dieser Emissionen bis 2035 einsparen lassen.
Die 39 ausgewählten Kernmaßnahmen erfüllen zwei wesentliche Faktoren, die bei der Lösung der Klimakrise priorisiert werden müssen:
● sie sind am noch verfügbaren THG-Restbudget von 2,3 Gigatonnen (Gt) ausgerichtet
● sie weisen eine starke Wirksamkeit auf
Das Klimanotstandspaket ist eine Reaktion auf den aktuellen Emissionsbericht des Umweltbundesamts, der verdeutlicht, dass Deutschlands Reduktionspfad zu langsam verläuft, um die Klimaziele zu erreichen. Der Agrarsektor machte 2022 ca. acht Prozent der deutschen Emissionen aus.
Im Sektor Landwirtschaft und Landnutzung spielen weniger die CO2-Emissionen als vielmehr die Emissionen von Methan und Lachgas eine entscheidende Rolle, die durch die Tierhaltung entstehen. Beide haben eine vielfach stärkere Wirkung auf das Klima als CO2. Um die Emissionen im Agrarsektor deutlich und schnell zu senken, braucht es jetzt wirksame Maßnahmen. Dafür sieht GermanZero folgende Hebel:
● Emissionen in der Tierhaltung reduzieren;
● Land so nutzen, dass es keine Treibhausgase emittiert, sondern wieder zum Speicher dafür wird;
● die Förderung landwirtschaftlicher Betriebe so umgestalten, dass das Land sich regenerieren kann und dem Klima dient.
Durch fünf Kernmaßnahmen ließen sich für das Landwirtschaftsministerium auf diese Weise 42 Prozent der Emissionen einsparen:
Zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche sind trockengelegte Moore, die jährlich 53 Mio. t CO2e emittieren. Diese müssen möglichst auf europäischer Ebene wiedervernässt werden. In Deutschland könnten so bis 2035 135 Mio. t CO2e eingespart werden, das entspricht rund 19 Prozent der Treibhausgasemissionen, die insgesamt nötig sind, um die Landwirtschaft bis 2035 klimaneutral zu machen. Die Wiedervernässung der Moore ist damit der stärkste Hebel für eine klimaneutrale Landwirtschaft.
Rund 95 Prozent der Emissionen im Sektor fallen bei der Tierhaltung an. Da sich diese Emissionen nicht durch technische Entwicklungen verringern lassen, braucht es einen reduzierten Tierbestand. Ein Emissionshandel für tierische Produkte überträgt das Prinzip des CO2-Preises auf die Landwirtschaft: Wer mit tierischen Produkten handelt, muss Zertifikate für die Treibhausgase erwerben, die bei der Produktion entstehen. Die Menge der Zertifikate ist begrenzt, mit steigender Knappheit werden sie teurer. Der beabsichtigte Effekt: Der Preis für tierische Produkte wird stetig steigen und zu einer schrittweisen Verringerung des Tierbestands auf ein klimaverträgliches Maß führen. Das sorgt für ein Reduktionspotential von 66 Mio. t CO2e.
Julian Zuber, Geschäftsführer GermanZero: „Wenn wir weitermachen wie bisher, verfehlt Deutschland seine Reduktionsziele um ein Vielfaches. Wir brauchen daher effektive und schnell wirksame Maßnahmen in allen Sektoren, auch im Agrarbereich. Er ist die Basis für unsere Ernährung und damit Grundvoraussetzung für unser Leben. Die heutige Landwirtschaft ist zu großen Teilen ein industrielles System und arbeitet mit Methoden, die die Natur zerstören, die Böden auslaugen und zur Erderhitzung beitragen. Das kann nur durch politische Weichenstellungen grundlegend geändert werden. Die Politik ist also gefragt - und gute Lösungen, die gleichzeitig dem Menschen, der Umwelt und dem Klima zugute kommen. Wir schlagen Wege vor, über die wir ins Gespräch kommen sollten.“
Anders als die Bundesregierung fordert GermanZero basierend auf dem verfügbaren Restbudget Klimaneutralität bis 2035. Mit den geplanten Klimamaßnahmen aus dem Koalitionsvertrag wird Deutschland bis 2045 noch 7,9 Gt CO2e ausstoßen. Nach Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen stehen dem Land allerdings nur noch 2,3 Gt CO2e verfügbar. Die Bundesregierung versäumt es bisher, ihren Reduktionszielen ein Restbudget zugrunde zu legen, an denen sie ihre Maßnahmen ausrichtet.
Alle Details zu den fünf Agrarmaßnahmen sowie 34 weitere Vorschläge für die Klimawende finden Sie im Klimanotstandspaket. Grafiken finden Sie hier zum Download zu Ihrer Verfügung.
Über GermanZero e.V.
GermanZero ist eine Klimaschutzorganisation mit dem Ziel, Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen. Dafür arbeitet die NGO in drei Tätigkeitsfeldern, die zusammen den Fahrplan hin zu einem klimaneutralen Deutschland ergeben: Ein 1,5-Grad-Gesetzespaket, das alle gesetzlichen Lösungen auf Bundesebene enthält, Politikgespräche, die diese Lösungen in den politischen Diskurs bringen, und eine Bewegung, die über Klimaentscheide Stadt für Stadt klimaneutral macht. Rund 1000 Ehrenamtlichen bietet GermanZero damit Beteiligungsformate, um selbst wirksam gegen die Klimakrise vorzugehen.
GermanZero folgt dem Grundsatz, Forderungen immer konstruktiv mit Lösungen zu begleiten, die aufzeigen, wie Deutschland in der Klimakrise effektiv handeln kann. GermanZero wurde 2019 als gemeinnütziger Verein gegründet und ist rein spendenfinanziert tätig.
Pressekontakt
Ina Krings
Leitung Kommunikation
Ina.krings@germanzero.de
PM Agrarsektor Klimanotstandspaket