Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe Ihnen, weil Sie als Mitglied des Bundestags aus meinem Wahlkreis stammen und damit auch meine Interessen im Parlament vertreten. Wir haben im Mai diesen Jahres das 75. Jubiläum unseres Grundgesetzes gefeiert, das sich in dieser langen Zeit als unschätzbar wertvoll für unsere Demokratie erwiesen hat. Allerdings hat sich seit 1949 auch vieles gewandelt, nicht zuletzt unser Klima. Ich möchte Sie deshalb auf eine wichtige Lücke in unserer Verfassung hinweisen und Sie bitten, sich für eine Ergänzung einzusetzen. Es geht darum, die Handlungsfähigkeit der Kommunen auf ihrem Weg zur Klimaneutralität zu stärken, indem Klimaschutz zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern erklärt wird.
Unsere 11.000 Städte und Gemeinden spielen eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz. Kommunale Wärmenetze, Straßenbau, öffentlicher Nahverkehr, Städtebau, kommunaler Wohnungsbau, die Planung und Pflege von Parks und Gärten und viele weitere ihrer Aufgaben beinhalten wichtige Weichenstellungen für die Emissionsfreiheit. Laut Umweltbundesamt haben die Kommunen damit - direkt oder indirekt - Einfluss auf bis zu einem Drittel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland! (Quelle)
Als staatliche Stellen sind auch die Kommunen dazu verpflichtet, den im Grundgesetz verankerten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu gewährleisten. Diese Aufgabe stellt sie insbesondere beim Klimaschutz vor große Herausforderungen, für die ihnen oft Personal und finanzielle Mittel fehlen. Der Grund: Klimaschutz ist für die Kommunen eine "freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe" und rangiert damit auf einer Ebene mit Freibädern und Bibliotheken. Wenn das Geld knapp wird, wird deshalb auch beim Klimaschutz gespart. Mittel von Bund, Ländern oder EU gibt es nur über zeitlich befristete Förderprogramme, so dass nicht langfristig und ambitioniert geplant werden kann (Quelle).
Um nur ein Beispiel zu nennen: Dem Thinktank Agora Energiewende zufolge brauchen die deutschen Kommunen für den Ausbau ihrer Wärmenetze allein bis 2030 mindestens 8 Mrd. Euro mehr Fördermittel (PDF). Aktuell stehen ihnen aber nur 750 Millionen jährlich zur Verfügung, und selbst dieser Betrag könnte ab 2026 noch gekürzt werden.
Ein Rechtsgutachten der Rechtsanwältinnen Dr. Roda Verheyen und Katharina Hölzen (PDF) kommt zu dem Schluss, dass eine Ergänzung des Grundgesetzes (Art. 91 a Abs 1 Nr. 3) die schwierige Lage für die Kommunen und den Klimaschutz lösen könnte: Wenn Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern festgelegt werden, ist eine gemischte Finanzierung dieser Maßnahmen möglich, wodurch die Kommunen die benötigten Mittel von Bund und Ländern erhalten könnten.
Eine von der Klima-Allianz und dem Deutschen Institut für Urbanistik in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie kommt zu dem Schluss, dass eine derartige Definition von Klimaschutz als Gemeinschaftaufgabe nicht nur machbar wäre, sondern auch dazu geeignet, die Mittel so einzusetzen, dass sie größtmögliche ökologische Wirkung entfalten. (Quelle)
Sehr geehrte Damen und Herren, Kommunen sind die Orte, an denen Klimaneutralität ganz konkret gemacht wird. Von der Grünflächenplanung über öffentlichen Nahverkehr, der den Verzicht aufs Auto einfach macht, bis zum Bio-Essen in Kitas und Kantinen gibt es eine Fülle von Stellschrauben, mit denen Städte und Gemeinden bürgernah den Pfad zur Klimaneutralität einschlagen müssten. Durch die genannte Ergänzung im Grundgesetz könnten sie diese Vielzahl an Maßnahmen langfristig und integriert angehen.
Ich bitte Sie: Setzen Sie Ihre Stimme dafür ein, dass Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz verankert wird!
Mit freundlichen Grüßen