Weg geebnet, Wirrwarr bleibt

Kommentar zum „Osterpaket“ der Bundesregierung

Das „Osterpaket“ von Robert Habeck ist ein guter Auftakt für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. GermanZero zeigt auf, welche Verbesserungsmöglichkeiten und Potenziale dabei jedoch ungenutzt bleiben.

Gesetzgebung Klimapolitik
26.04.2022
Annalena Brokering

Am 6. April stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine „Osterpaket“ genannten Pläne für den schnellen Ausbau von Wind- und Solarkraft in Deutschland vor. Aus Sicht von GermanZero enthält dieses Paket viele notwendige und sinnvolle Maßnahmen. Allerdings sind es Maßnahmen im Kleinen, die Widersprüche und Fehlanreize im bestehenden Fördersystem für die Erneuerbaren Energien aufheben. Von einem großen Wurf kann man nicht sprechen.

Der Hauptgrund ist, dass einige grundlegende Hindernisse der Energiewende nicht angegangen werden. Nach wie vor fehlt eine sinnvolle Steuerung des Erneuerbaren-Ausbaus, und auch das Potenzial der dezentralen Energiewende wird weiterhin nicht ausgeschöpft.

Prinzip Hoffnung statt zentraler Planung

Mit dem Osterpaket gibt Minister Habeck das Ziel aus, bis 2030 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Bis 2035 sollen es dann 100 Prozent sein. Technisch ist dieses Ziel sicherlich erreichbar. Die Frage ist eher: Reichen die wirtschaftlichen Anreize, die mit der EEG-Förderung gesetzt werden, aus, um die notwendigen Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen zu veranlassen? Das Osterpaket schafft eine Grundlage dafür, dass mehr Wind- und Solaranlagen gebaut werden, indem es die Ausschreibungsmengen in den Ausschreibungsverfahren für die EEG-Förderung anhebt und einige Fehlanreize und Widersprüche im EEG auflöst.

Langsame Verfahren

Ob die Ausbauziele damit erreicht werden, ist aber nicht sicher, denn: Um an einer Ausschreibung für den Bau von Windenergieanlagen teilzunehmen, muss eine Genehmigung vorliegen. Das heißt: Nur wenn gleichzeitig auch die Planungs- und Genehmigungsverfahren sehr viel schneller ablaufen, entfalten höhere Ausschreibungsmengen für den Bau von Windenergieanlagen ihre Wirkung. Dafür gibt es jedoch keine Garantie. Es gibt auch keine Garantie dafür, dass die für das Sommerpaket geplanten Maßnahmen schnell genug eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bewirken. Im Ergebnis verlässt sich die Bundesregierung also darauf, dass alle Maßnahmen perfekt ineinandergreifen und ausreichend von privater Seite investiert wird, anstatt den Ausbau der Erneuerbaren Energien stärker selbst zu steuern.

Erneuerbare-Energien-Agentur als Lösung

GermanZero setzt sich in seinem 1,5-Grad-Gesetzespaket daher dafür ein, dass eine stärkere zentrale Planung und Steuerung des Ausbaus stattfinden. Dafür soll eine neu zu gründende Erneuerbare-Energien-Agentur damit beauftragt werden, eine bedarfsorientierte Energieerzeugungsplanung aufzustellen und den Ausbau durch marktwirtschaftliche Akteure bzw. Das Ausschreibungsverfahren koordiniert. (Details dazu finden sich in unserem Gesetzespaket, ab S. 189 ff. Download)

Regelungswirrwarr bremst Akteure aus

Welche Hemmnisse müsste die Bundesregierung aus dem Weg räumen, um 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2035 zu schaffen? Die größte Hürde stellt sicherlich die nach wie vor extrem hohe Komplexität des Förder- und Vermarktungsystems für Erneuerbare sowie des allgemeinen Strommarktdesigns dar. Dabei sprechen wir nicht von technischer Komplexität, sondern vielmehr von dem bestehenden Regulierungswirrwarr. Mit dem Osterpaket schafft die Regierung hier so gut wie keine Vereinfachungen, sondern knüpft an die bestehenden Regelungen an und löst nur im Kleinen Fehlanreize und Widersprüche auf.

Die hohe Komplexität ist deshalb ein gewichtiges Hemmnis, weil sie es vielen Akteuren erschwert, sich aktiv in die Energiewende miteinzubringen. Das gilt insbesondere für kleinere, lokale Akteure wie Privatpersonen, kleinere Unternehmen und auch Kommunen. Um die Energiewende zu stemmen - auch um die im Osterpaket aufgestellten Ausbauziele zu erreichen - braucht es aber das Engagement und die Beteiligung möglichst vieler Akteure wie Unternehmen, Kommunen und Bürger:innen. 

Nachteile für Bürgerenergiegemeinschaften

Insbesondere lokale Zusammenschlüsse von Akteuren, so genannte Bürgerenergiegemeinschaften, stehen durch das komplexe System an Förder- und Vermarktungsmöglichkeiten vor großen Herausforderungen. Möchte so eine Bürgerenergiegemeinschaft mit eigenen Wind- und Solaranlagen erneuerbaren Strom produzieren und selbst nutzen, muss sie auf die bestehenden Regelungen zurückgreifen. Das Problem ist, dass diese Regelungen überhaupt nicht auf lokale Energiegemeinschaften zugeschnitten sind. So müssen diese zum Beispiel die im bestehenden System vorgesehenen Vermarktungswege der Direktlieferung nutzen. Dadurch werden sie aber unmittelbar zum Stromlieferanten und müssen finanzielle und administrative Mehrbelastungen tragen, die den Anlagenbetrieb für sie weniger wirtschaftlich machen.

Neuer Rechtsrahmen nötig

Mit dem Osterpaket hätte die Bundesregierung als weiteren Schritt die Chance ergreifen können, einen neuen, einfachen Rechtsrahmen für das so genannte Energy Sharing in lokalen Energiegemeinschaften zu schaffen. (Hierzu ist sie nach Art. 22 der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie sogar verpflichtet.) Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hat GermanZero bereits in seinem 1,5-Grad-Gesetzespaket (S. 185 ff, 204 ff. Download) entworfen. Dass die Entwicklung des Gesetzestextes nicht machbar war, kann die Bundesregierung also nicht behaupten. Zu diesem Thema, dass die Bundesregierung die Förderung der dezentralen Energiewende vernachlässigt, gibt es von uns auch einen Blogbeitrag, sowie einen wissenschaftlichen Report.

1,5 Grad erfordern drastischen Wandel

Der jüngste IPCC-Bericht hat noch einmal verdeutlicht, wie essenziell eine schnelle Energiewende für die Einhaltung des 1,5 Grad-Limits ist. Das Osterpaket passt das Erneuerbare-Energien-Gesetz und einige andere Gesetze an. Es ist damit ein inkrementeller Fortschritt, aber keine drastische Veränderung. Doch eine drastische Veränderung ist genau das, was wir Angesichts des dramatischen Tempos der Erderhitzung brauchen. Wenn all das eintritt, worauf Minister Habeck zu hoffen wagt, dann hält Deutschland vielleicht die im Klimaschutzgesetz festgelegten Emissionsziele ein und wird bis 2045 klimaneutral. Diese Ziele sind aber nicht genug, um die CO2-Emissionen so schnell zu senken, wie es der IPCC-Bericht fordert. Im Gegenteil: Mit ihren Klimazielen gibt die Bundesregierung den Anspruch auf, die 1,5-Grad-Grenze zu halten.

Wir von GermanZero sind davon überzeugt, dass mehr möglich ist – und wir zeigen, wie das klappen kann. Mit unserem 1,5-Grad-Gesetzespaket lässt sich sogar schon 2030 eine klimaneutrale Stromerzeugung erreichen. Die ist auch dringend notwendig, damit Deutschland sein CO2-Budget nicht überschreitet. Das CO2-Budget ist der Anteil an den Emissionen, die weltweit noch ausgestoßen werden können, bevor die 1,5-Grad-Grenze erreicht ist.

Der jüngste IPCC-Bericht hat dargelegt, dass die Kosten für Photovoltaik-Anlagen und Batterien in den letzten Jahren jeweils um 85 Prozent gesunken sind. Wenn Deutschland jetzt noch weiter zögert, die Erneuerbaren Energien schnell auszubauen, kann es nicht daran liegen, dass das Geld fehlen würde. Dann muss man von einer bewussten Entscheidung ausgehen.

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Foto: Mark König/unsplash