Jetzt bauen für die Zukunft

Die Klimanotstandsmaßnahmen von GermanZero im Sektor Gebäude und Wärme

Die Klimawende im Bausektor ist ein Kraftakt: Fast 90 Prozent der Gebäude müssen energetisch saniert werden. Was die Transformation des Sektors noch schwieriger macht: Beim Thema Wohnen rückt uns Klimapolitik auf den Leib. Hier berührt die Politik Fragen der Selbstbestimmung und des Eigentums, und es geht immer auch um Geld, das man hat oder nicht hat. Doch zum Zögern fehlt die Zeit: Was jetzt gebaut wird, steht für viele Jahrzehnte. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden. GermanZero stellt in seinem Klimanotstandspaket Lösungen vor, mit denen wir in Zukunft klimaneutral und sozial gerecht wohnen können.

Gebäude Klimapolitik
19.09.2023

Die wichtigsten Argumente von GermanZero in Kürze

● Die Weichen für klimaneutrale Gebäude müssen jetzt gestellt werden, denn gebaut ist gebaut - für Jahrzehnte.
● Aus Klimaperspektive liegt der Fokus eindeutig darauf, den Energieverbrauch im Gebäudebestand zu reduzieren. Die Klimanotstandsmaßnahmen von GermanZero zeigen hier ein großes Potenzial von 208 Mio. Tonnen bis 2035 auf. Die Transformation des Bestands schnell und bezahlbar zu gestalten und CO2-Emissionen angemessen zu bepreisen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Politik.
● Bei Sanierungen genauso wie im Neubau gilt es, schnell auf klimafreundliche Materialien und Bauweisen umzuschwenken. GermanZero zeigt mit seinen Klimanotstandsmaßnahmen ein ebenfalls großes Potenzial für Treibhausgasminderungen in Höhe von 95 Mio. Tonnen bis 2035 auf.
● Bei alldem gilt es, die Wende sozialverträglich für die hohe Zahl an Mieter:innen sowie all jene Eigenheimbesitzer:innen zu gestalten, die über keine großen Rücklagen für Sanierungen verfügen.

Diagramm Gebäudesektor

Die Klimanotstandsmaßnahmen, die GermanZero für den Gebäudesektor vorstellt, wirken stark und schnell. Sie sorgen für die nötigen Weichenstellungen zur Transformation des Wohnens. Mit ihnen lassen sich 379 Millionen Tonnen CO2e einsparen. Das entspricht 80 Prozent der Einsparungen, die nötig sind, um den Sektor bis 2035 klimaneutral zu machen. Im Einzelnen geht es um:
● Reform des nationalen Brennstoffemissionshandels
● Ausweitung der Sanierungsverpflichtung und Sanierungstiefe
● Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen
● Finanzielle Unterstützung der Mieter:innen
● Klimaneutralität im Neubau
● Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe
● Wiederverwendung und Recycling von Bauteilen und Baustoffen

Diese Maßnahmen sind nötig geworden, weil alle bisherigen Klimaschutzmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen, damit Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Klimaabkommen von Paris erfüllt und ausreichend zum Stopp der Erderhitzung beiträgt. Deshalb braucht es jetzt "große Hebel für den Klimaschutz." Die Klimanotstandsmaßnahmen zeigen: Klimapolitik muss in ganz anderen Größenordnungen wirksam werden als bisher. Sie darf sich nicht mehr auf Nebenschauplätzen verausgaben. 

Die Maßnahmen werden weiter unten im Detail erläutert. Zunächst jedoch ein kurzer Blick auf den Stand der Klimawende im Gebäude- und Wärmesektor.

Worum es geht: Wohnen der Zukunft

Siedlung
Mammutaufgabe: Der größte Teil der 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland muss energetisch saniert werden.

Wie sieht klimaneutrales Wohnen und Bauen im Jahr 2035 aus? Die einfache Antwort lautet: Alle Gebäude sind bestens gedämmt und heizen ohne fossile Verbrennung. Sollte das gelingen, liegt ein Kraftakt hinter dem Land, denn aktuell liegt der Sektor noch bei 111 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr - das sind 15 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen. Ähnlich wie im Verkehrssektor fällt es der Politik hier besonders schwer, von den hohen Emissionen herunterzukommen. Erst im März bescheinigte das Umweltbundesamt Bauministerin Geywitz, die im Klimaschutzgesetz festgelegten Reduktionsziele für ihr Ressort auch 2022 verfehlt zu haben.[1] Einer der Hauptgründe für diese Schwierigkeiten - wenn auch keine Ausrede: Bei rund 15 Millionen Eigentümer:innen ist die Zahl derer, die von der klimafreundlichen Transformation überzeugt und dafür motiviert werden müssen, fast schon aberwitzig viel höher als z.B. im Energiesektor, wo Unternehmen die Adressaten sind.

Ein paar Zahlen verdeutlichen den Umfang der Herausforderung:

Rund 19 Millionen Wohngebäude gibt es in Deutschland. Drei von vier Haushalten in Deutschland heizen noch mit Öl oder Gas. Hier gilt es, vom Verbrauch fossiler Brennstoffe loszukommen. 88 Prozent der Gebäude sind gegenwärtig nicht oder nur teilweise gedämmt. Um bis 2035 klimaneutral zu werden, muss die Sanierungsrate von aktuell 1 % auf 4 % gesteigert werden.

Wärmebild Straßenzug
Riesiges Energiesparpotenzial: Unzureichend gedämmte Häuser strahlen sehr viel Wärme ab.

Das Einsparpotenzial bei Sanierungen ist riesig, und wer Emissionen einspart, spart langfristig auch bei den Energiekosten. Mindestens 400 Euro pro Jahr spart etwa der Einbau einer Wärmepumpe gegenüber einer Gasheizung. Dennoch bleiben Immobilienbesitzer:innen mehrheitlich skeptisch, ob sich ein Heizungstausch für sie rechnet.[2]

Und während die Baubranche gegenwärtig für mehr als 50 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich ist, stecken Ansätze noch in den Kinderschuhen, die riesigen Mengen an Rohstoffen und Energie, die in Baustoffe fließen, in Kreisläufen zu erhalten.

Hintergrund: Die Weichen müssen jetzt gestellt werden

Beim Thema Wohnen rückt uns Klimapolitik auf den Leib. Hier berührt die Politik Fragen der Selbstbestimmung und des Eigentums, und es geht immer auch um Geld, das man hat oder nicht hat. Um Ausgaben, die in Zukunft zur Last werden können – oder um Belastungen, die eben nicht entstehen. Es geht um das Dach über dem Kopf, den Ort, der Schutz und Wärme bietet, den Hort des Privaten. Dieser private Ort spielt eine zentrale Rolle darin, wie viel CO2 ein Mensch, eine Stadt, ein Land in die Luft bläst. Das geht uns alle an. Wohnen ist also gleichzeitig sehr persönlich und hochpolitisch.

Balance zwischen Persönlichem und Gemeinwohl

In der Klimapolitik die richtige Balance zu finden zwischen Be- und Entlastungen des Einzelnen auf der einen Seite und dem Gewinn fürs Gemeinwohl auf der anderen, ist sicherlich nicht einfach. Wie wichtig es ist, in der Bevölkerung für das Mittragen von Klimamaßnahmen zu werben und diese sozial ausgewogen zu gestalten, hat die monatelange Debatte um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gezeigt. Mit der jüngst beschlossenen Reform des GEG wurde eine große Chance für eine rasche Wärmewende vertan. Mit ihr ist weder dem Klima noch den Immobilienbesitzer:innen und Mieter:innen befriedigend gedient. Anstatt einen konsequenten Phase-Out von Gasheizungen ab 2024 zu beschließen, werden nun über viele Jahre hinweg neue Gasheizungen verbaut werden und Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Die Rechnung bezahlen nicht zuletzt all jene, die unter den stetig steigenden Gaspreisen leiden oder sogar ihre Heizung wieder rausreißen müssen, weil der in Aussicht gestellte Wasserstoff doch nicht in ihren Häusern ankommt, da er andernorts dringender gebraucht wird. Ein konsequentes Einbauverbot für neue fossile Heizungen ab 2024 hätte nach Berechnungen von GermanZero bis 2035 47 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Stattdessen werden mit dem neuen GEG bis 2030 nur 20 Mio. Tonnen eingespart.[3]

Konsequenzen für Jahrzehnte

Großbaustelle Stadt
Großbaustelle Klimaschutz: Was heute gebaut wird, wirkt für viele Jahrzehnte aufs Klima.

Der kritische Punkt beim Gebäudesektor ist, dass hier Millionen von Menschen Einzelentscheidungen treffen, die in ihrer Summe immense Auswirkungen auf das Klima haben: Jetzt sanieren oder erst in drei Jahren? Neue Gasheizung oder Wärmepumpe? Möglichst billig bauen oder nachhaltig? Immer geht es dabei um viel Geld, das man nur einmal ausgeben kann. Was heute gebaut wird, wirkt für viele Jahrzehnte aufs Klima - entweder gut, weil emissionsarm, oder schlecht, weil schlechte Dämmung, fossile Heizung und die Emissionen, die bei der Herstellung von Baustoffen entstehen, zur Erderhitzung beitragen.

Dabei gilt: Wer heute an der falschen Stelle spart, zum Beispiel wenig dämmt und auf eine vermeintlich günstige Gasheizung setzt, hat später umso höhere Kosten. Zum einen werden fossile Brennstoffe infolge des steigenden CO2-Preises langfristig sehr teuer werden. Der ab 2027 gültige EU-Emissionshandel EU-ETS-2 wird den CO2-Preis von heute 30 Euro/Tonne auf dreistellige Werte ansteigen lassen.[4] Zum andern schafft eine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern erhebliche Unsicherheiten, wie die Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine drastisch vor Augen geführt hat. Eine verantwortungsvolle Baupolitik muss deshalb jetzt die Weichen für das Wohnen in der Zukunft stellen - und das bedeutet: möglichst energieeffizient und fossilfrei.

Vision und Wirklichkeit

Beim Stichwort "Wohnen in der Zukunft" denken viele vielleicht an zukunftsweisende Stadtquartiere wie die Seestadt Mönchengladbach. Dort entstehen auf einer Fläche von 20 Fußballfeldern 2000 Wohnungen sowie Büro- und Gewerbeflächen, mit weitgehend autarker Energiegewinnung, einem See, der Regenwasser speichert und das Mikroklima reguliert, als "Stadt der kurzen Wege" weitgehend autofrei, und das alles zu erschwinglichen Preisen.

Wen es eher aufs Land zieht, der oder die denkt vielleicht an wiederbelebte Orte wie den Hof Prädikow in Brandenburg, wo 60 Menschen Wohnen, Leben, Arbeit und Kultur verbinden, ökologisch bauen, solidarische Landwirtschaft betreiben, nicht in die Stadt pendeln müssen und mit der bestehenden Dorfgemeinschaft neue Begegnungsorte schaffen.

Bebauung einer Baulücke
Musterbeispiel für Bestandsnutzung statt Abbruch und Neubau: Bikinihaus Berlin.

Diese modernen Formen des Wohnens sind sicher sehr attraktiv, doch für den allergrößten Teil der Menschen wird das zukünftige Wohnumfeld nicht viel anders aussehen als heute. Sie leben in relativ alten Gebäuden - und die gilt es, klimatechnisch fit zu machen: Vier von fünf Wohnungen in Deutschland wurden vor 1990 gebaut. Jede vierte sogar vor 1948, nur drei Prozent nach 2011. Spektakulär verändern wird sich dieser riesige Gebäudebestand in den nächsten Jahrzehnten nicht. Schließlich sind Immobilien eben "immobil" auch in der Hinsicht, dass bei ihnen nicht viel Bewegung drin ist.

Die Zukunft: sanierter Bestand

Sicher: Es soll auch viel neu gebaut werden, um den aktuellen Wohnungsmangel zu beheben. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr hat sich die Koalition vorgenommen. Doch erstens wurde dieses Ziel bislang deutlich verfehlt (2022 wurden nur knapp 300.000 Wohnungen gebaut[5], im ersten Halbjahr 2023 nur 135.200[6]). Und zweitens: Selbst wenn all diese neuen Wohnungen besonders klimafreundlich gebaut werden sollten, stehen sie der riesigen Zahl von mehr als 43 Millionen Wohnungen gegenüber, die zum allergrößten Teil noch unzureichend gedämmt sind und fossil beheizt werden.[7]

Bauarbeiter Haus
"Zukunftsfähig wohnen" bedeutet in den meisten Fällen vor allem: energetische Sanierung

"Zukunftsfähig wohnen" bedeutet deshalb für die meisten Menschen in Deutschland in erster Linie, sich gegen die auch in Zukunft weiter steigenden Kosten für Öl und Gas zu wappnen und dafür zu sorgen, den eigenen Treibhausgasausstoß zu minimieren. Nicht alle können dies aus eigener Kraft. Eine gute Klimagesetzgebung muss dafür sorgen, dass Mieter:innen nicht in unsanierten Wohnungen auf hohen Energiekosten sitzen bleiben. Und Eigentümer müssen mit einer Mischung aus Anreizen, Verpflichtungen und Förderung dazu gebracht werden, dass sie die Klimawende ihrer Gebäude so schnell wie möglich umsetzen. Es geht um ganz basale Veränderungen im Bestand: eine Heizung, die unabhängig macht von fossilen Brennstoffen sowie eine gute Dämmung, die die wertvolle Heizenergie im Haus hält - und in den zunehmend heißen Sommern vor Hitze schützt. Als nicht unwichtiger Bonus für Bestandsbauten kommen dann noch überall, wo es möglich ist, PV-Module auf dem Dach hinzu, die helfen können, die Stromkosten zu senken und die Energiewende voranzubringen.

Neubau und Baustoffe: In Kreisläufen denken!

Holzhaus
Holz als Baustoff mit Zukunft: Klimaverträglich und sehr gut wiederverwertbar

Dass die Klimawende vor allem Bestandsbauten umgestalten muss, bedeutet nicht, dass Klimaschutz bei Neubauten keine Rolle spielen würde. Immerhin entstehen 50 Prozent der Emissionen eines Gebäudes bereits vor seiner Nutzung, weil die Herstellung der Baustoffe so CO2-intensiv ist.[8] Zwar liegen beim Baustoffrecycling die Verwertungsquoten zwischen 89 und 98 Prozent. Doch Altbeton landet heute größtenteils im Straßen- und Deponiebau, anstatt wiederverwendet zu werden. Der Einsatz von Recycling-Rohstoffen muss sich rechnen können, indem entweder klimafreundliches Bauen gefördert oder konventionelles Bauen mit Beton teurer gemacht wird. Und schließlich muss schon bei der Planung eines Hauses an seinen Rückbau gedacht werden: Trennbarkeit der Materialien, Schadstofffreiheit und Modulbau helfen dem zukünftigen Recycling.

Soziale Abfederung gewährleisten

Zukunftsweisende Gesetzgebung im Gebäudesektor muss die Weichen also jetzt so stellen, dass die Menschen Anreize und Druck erhalten, besser heute als morgen Investitionen in eine klimafreundliche Sanierung zu tätigen. Das ist nicht zuletzt auch eine soziale Frage. EU und Bundesregierung haben festgelegt, dass der CO2-Preis zunehmend steigen wird. Allein eine Höhe von 65 Euro pro Tonne - dort soll der Preis im Jahr 2026 liegen - bringt für eine vierköpfige Familie Mehrkosten von mehr als 300 Euro im Jahr.[9] Nach 2027, wenn der CO2-Preis als Knappheitspreis am Markt entsteht, sind bis 2045 sogar Preise von mehr als 370 € pro Tonne möglich.[10] Dabei wäre dies ein realistischer Preis, in den die Kosten von Klimafolgeschäden einbezogen sind. Die Belastungen für eine vierköpfige Familie lägen dann in den nächsten 20 Jahren bei 31.000 Euro.

Einbau Wärmepumpe
Einbau einer Wärmepumpe: Wichtig ist die ausreichende Unterstützung von Eigentümer:innen und Vermieter:innen.

Damit diese Kosten sozial tragbar sind, hilft zum einen eine ausreichende Förderung der für den Klimaschutz zwingend nötigen Maßnahmen, mit der Eigentümer:innen die nötigen Ausgaben stemmen können. Um soziale Verwerfungen zu verhindern, muss aber insbesondere gesichert sein, dass die Mehrkosten klimafreundlichen Wohnens nicht an die Mieter:innen durchgereicht werden. Auch hierfür schlägt GermanZero mit der Umlage der CO2-Kosten auf Vermieter:innen und einer Reform der Modernisierungsumlage, bei der die Kosten gleichmäßig von Vermieter:innen, Mieter:innen und Staat getragen werden.[11]

Weichenstellung in schwierigen Zeiten

Ein Gebäudebestand, der im großen Rahmen saniert werden muss, Hauseigentümer:innen, die kein Interesse an aufwändigen Sanierungen "nur" für den Klimaschutz haben, Mieter:innen, die nicht wissen, wie sie steigende Energiekosten bezahlen sollen, eine Bauindustrie, denen wegen steigender Kosten die Aufträge wegbrechen - der Weg zur Klimaneutralität im Gebäudebereich ist voller großer Hürden.

Auch die Klimanotstandsmaßnahmen, die GermanZero vorschlägt, sind nicht einfach umzusetzen - das hat die Debatte um das Heizungsgesetz gezeigt. Auf der Haben-Seite steht jedoch, dass der Gebäudesektor dem Ziel der Klimaneutralität damit in großen Schritten näherkommt. Mit den bislang von der Regierung geplanten Maßnahmen dagegen wird er dies nicht schaffen.[12] Was zu tun ist, liegt also auf dem Tisch. Der Ball liegt bei der Politik. Wir brauchen entschlossene Politiker:innen, die anerkennen und offen aussprechen, wie groß der Handlungsbedarf ist, um ein menschenfreundliches Klima zu erhalten.

Im Folgenden erläutern wir die Auswahl der Klimanotstandsmaßnahmen von GermanZero im Bereich Gebäude und Wärme, sowie Hintergründe, Wirkungsweisen und häufige Fragen.

Reform des nationalen Brennstoffemissionshandels

Ziel: Ein CO2-Preis als Lenkungsinstrument

Icon BEHG

(Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetespaket S. 17-19 und 44-49)

Über das Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) soll ein echter Emissionshandel eingeführt werden. Dieser Emissionshandel würde zu einem CO2-Preis führen, der ausreichend starke Anreize schafft, klimaschädliche Aktivitäten - z.B. die Nutzung von Öl- oder Gasheizungen zu reduzieren. Ein umfassender CO2-Preis ist aus mehreren Gründen sehr attraktiv:

Idealerweise würden mit einem gut gestalteten CO2-Preis alle klimaschädlichen Aktivitäten mit ihren „wahren Kosten“ belegt. Dadurch würden marktwirtschaftliche Anreize gesetzt, diese kosteneffizient zu reduzieren (Internalisierung von externen Kosten). Neben der Anreizwirkung sorgt der CO2-Preis zudem für staatliche Mehreinahmen, die wiederum in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden können.[13] Zugleich wirkt der CO2-Preis auch auf die Sektorkopplung hin, wenn in allen Sektoren gleichzeitig Anreize für Emissionsminderungen gesetzt werden.[14] So wird im Gebäudesektor das Heizen mit Gas unattraktiver, während im Stromsektor die erneuerbaren Energien Zulauf erhalten, was der Förderung klimaneutraler Heizsysteme dienlich sein kann.[15] Theoretisch kann der CO2-Preis auf diese Weise sogar einzelne Sektorziele überflüssig machen.[16]

Warum ist die Maßnahme nötig?

CO2-Ausstoß kostet nicht so viel wie er Schaden anrichtet

Generell ist ein ausreichend hoher CO2-Preis nötig, weil er die Folgen der Emissions-Verursachung "spürbar" macht ("den Geldbeutel strapaziert") und Anreize zu ihrer Vermeidung schafft. Wer Strom aus Kohlekraftwerken nutzt, mit Öl oder Gas heizt oder einen Verbrenner-PKW fährt, trägt dazu bei, dass CO2 in die Atmosphäre geblasen wird. Als Haupttreiber der Erderhitzung verursacht dieses CO2 enorme Schäden für die Umwelt und die Gesellschaft. Wer kommt für diese Schäden auf? Aktuell spiegeln die Kosten von CO2-Emissionen die durch sie verursachten Schäden nicht wider. Verknappt gesagt: Für die Verursacher ist es oft günstiger, CO2-Ausstoß zu verursachen als ihn zu vermeiden. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe ist zu billig, die Schäden zahlen nicht die Verursacher, sondern die Allgemeinheit.

Durch die Erderhitzung verursachte Schäden sind z.B. direkte Schäden wie zerstörte Gebäude nach Fluten und Ernteausfälle in der Landwirtschaft durch Dürre, aber auch immaterielle Schäden wie Tote, gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Hitzezeiten, oder der Verlust der Artenvielfalt. Nach einer aktuellen, vom BMWK herausgegebenen Studie[17] werden sich die zu erwartenden Klimafolgekosten zwischen 2022 und 2050 auf bis zu 900 Milliarden Euro, die deutsche Bürger:innen, die Wirtschaft und der Staat aufbringen müssen. Als Vergleich nennt die Studie: "Die Flutschäden des Jahres 2021 werden auf mindestens rund 40 Mrd. Euro geschätzt. Ein solches Schadensausmaß könnte also immer häufiger und bis zur Mitte des Jahrhunderts fast jedes Jahr eintreten."[18]

Aktuell ist der CO2-Preis zu niedrig, zu viele Zertifikate sind auf dem Markt

Der über das BEHG bewirkte CO2-Preis ist aktuell viel zu niedrig, um eine starke Lenkungswirkung zu entfalten oder gar die vollen Umweltkosten zu internalisieren. Im Bereich Wärme und Verkehr wird der CO2-Preis über einen Brennstoffemissionshandel geregelt. Zertifikate- oder Emissionshandel bedeutet, dass die Unternehmen für die ihnen zuzurechnenden Emissionen Zertifikate ersteigern müssen. Sie kaufen damit sozusagen „Verschmutzungsrechte“. Im BEHG ist streng genommen nicht einmal die Zertifikatsmenge begrenzt. Die Zertifikate sind auch nicht frei handelbar, sondern werden zu niedrigen Fixpreisen vergeben: Die aktuellen 25 Euro pro Tonne sind weit von den 680 Euro entfernt, die das Umweltbundesamt als „wahre“ CO2-Kosten ansetzt.

Was schlägt GermanZero vor?

Damit ein CO2-Preis im Gebäudesektor die nötige Lenkungswirkung entfaltet, schlägt GermanZero drei zentrale Maßnahmen vor:

Kontinuierliche Reduktion der Zertifikatsmenge: Um das Restbudget zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, muss es eine feste Obergrenze („Cap“) für die Anzahl der Zertifikate geben. Bis 2035 müssen alle Zertifikate schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden.

Abschaffung der Fixpreise und Preiskorridore: Um die Klimaneutralität des Gebäudesektors bis 2035 und zügige Planungssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten, sollte das nEHS dahingehend reformiert werden, dass die Fixpreise und Preiskorridore umgehend abgeschafft werden.

Integration des Gebäudesektors in den europäischen Emissionshandel: Mittelfristig sollte Deutschland versuchen, den Gebäudesektor in einen (vom ETS für die Bereiche Industrie und Energiewirtschaft getrennten) europäischen Emissionshandel zu integrieren, weil ein internationales Bepreisungssystem eine größere Klimaschutzwirkung entfalten kann und zudem das Risiko von potenziellen Carbon-Leakage–Effekten (die Gefahr, dass Emissionen in Drittstaaten verlegt werden, die nicht am Emissionshandel teilnehmen) verringert.

Wie wirkt sich der CO2-Preis auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 20 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt die vorgeschlagene Reform des BEHG bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 95 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 20 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten. Damit ist diese Maßnahme der stärkste Hebel für Klimaneutralität in diesem Sektor.

Häufige Fragen

Hierzu schreibt das Umweltbundesamt (2023): "Für den CO2-Preis sollten ab dem Jahr 2023 die aktuellen Fixpreise des BEHG mindestens verdoppelt werden[19] (2023: 70 statt 35 Euro/t CO2, 2024: 90 statt 45 Euro/t CO2, 2025: 110 statt 55 Euro/t CO2). Der Preiskorridor für 2026 würde bei 110 bis 130 Euro/t CO2 liegen, im Jahr 2030 sollte dann ein CO2-Preis von mindestens 200 bis 250 Euro/t erreicht werden (nominal)."[20]

In der Praxis sollte ein CO2-Preis immer durch Begleitmaßnahmen flankiert werden, weil er nie alle Emissionen und Emittent:innen erfassen wird, nicht in jedem Bereich – und vor allem im Rahmen des uns verbleibenden THG-Restbudgets zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze auch nicht schnell genug – die notwendigen Anreizwirkungen erzeugen kann und je nach Höhe und Ausgestaltung erhebliche soziale und wirtschaftliche Auswirkungen hat, die ausgeglichen werden sollten.

Menschen mit geringem Einkommen geben prozentual mehr ihres Nettoeinkommens für den Grundbedarf und damit auch für Heizen, Strom und Kraftstoffe aus. Dies alles sind zugleich Bereiche, die stark vom CO2-Preis betroffen sind. GermanZero hat Gesetzesvorschläge erarbeitet, die die regressive Wirkung des CO2-Preises mit Hilfe von verschiedenen Maßnahmen in eine progressive verwandeln und den CO2 -Preis sozialverträglich ausgestalten:

a) Klimaprämie ("Klimageld"): Als staatsbürgerschaftsunabhängige pauschale Auszahlung ist eine Klimaprämie finanziert aus den Einnahmen aus Energiesteuer und BEHG über das System der Krankenkassen administrativ leicht umsetzbar. Zudem ist sie öffentlichkeitswirksam und unterstützt vor allem Haushalte mit geringem Einkommen, Familien und Alleinerziehende. Folglich wirkt sie der tendenziell regressiven Wirkung des CO2-Preises progressiv entgegen.

b) Härtefallfonds: Weiterhin müssen Härtefallfonds eingerichtet werden, um individuelle Härten abzufangen. Denn die pauschale Klimaprämie wird Einzelfällen nicht gerecht. Agora Energiewende schlägt vor, sich bei der Antragsbewilligung an folgenden zwei abstrakten Kriterien zu orientieren: Einerseits der individuellen Betroffenheit durch die CO2-Bepreisung in Abhängigkeit zur Einkommenssituation. Andererseits an einer Betroffenheit von 1 % des Nettoeinkommens bei kleinen und mittleren Haushalten.

Ausweitung der Sanierungsverpflichtung und Sanierungstiefe

Ziel: Turbo bei der energetischen Sanierung

Icon Sanierung

Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetespaket S. 884-912

Millionen von Gebäuden sollen bis 2035 energetisch saniert werden. Dazu zählen Maßnahmen wie Dämmung von Fassade, Dach und Keller, die Erneuerung der Heizung oder der Bau einer Photovoltaik-Anlage. Das Tempo muss dafür mindestens viermal so schnell sein wie bisher.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Der Gebäudebestand in Deutschland umfasst ca. 22 Millionen Gebäude, davon 19 Millionen Wohngebäude.[21] Ca. 88 % der Gebäude fallen in schlechtere Energieeffizienzklassen als B.[22] Um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu machen, müssten jährlich rund 1,3 Millionen Häuser saniert werden. Die Sanierungsrate muss sich dafür von aktuell 1% pro Jahr auf über 4 Prozent erhöhen.[23] Die Bundesregierung setzt bislang vor allem auf Förderprogramme statt Regulierungen, womit der nötige Sanierungsumfang nicht erreicht wird.

Was schlägt GermanZero vor?

Um die nötige Sanierungsgeschwindigkeit und -tiefe zu erreichen, muss die Bundesregierung die folgenden Maßnahmen treffen:

● Verpflichtung zur Erstellung von Sanierungsfahrplänen und Klimaberatung: Ein Sanierungsfahrplan muss dann erstellt werden, wenn eine Nutzungsänderung oder ein Umbau vorgenommen wird, der Auswirkungen auf den Energiebedarf haben kann, oder ein Eigentümer:innenwechsel vorliegt. Darüber hinaus besteht eine Pflicht zur Erstellung eines Sanierungsfahrplans auch, wenn eine Heizung ausgetauscht wird oder wenn eine Heizung besonders ungünstige Effizienzlabel erhält. Des Weiteren müssen Sanierungsfahrpläne für Gebäude der Energieeffizienzklassen G, H und F bis 2025 erstellt werden. Bis 2030 müssen Sanierungsfahrpläne für Gebäude der Energieeffizienzklassen E, D und C erstellt werden. Bei Nutzungsänderung, Umbau oder Heizungsaustausch muss zusätzlich eine Klimaberatung durchgeführt werden. 
● Ausweitung der Sanierungsverpflichtungen: Gebäude, für die aufgrund einer „schlechten“ Energieeffizienzklasse ein individueller Sanierungsfahrplan erstellt werden musste, müssen innerhalb von 5 Jahren so saniert werden, dass ihr Endenergieverbrauch auf den Standard der Energieeffizienzklasse A abgesenkt wird (d. h. ≤ 50 kWh/m2/a), sofern dies rechtlich (Denkmalschutz) und technisch möglich ist. Dies bedeutet, dass Gebäude der Energieeffizienzklassen G, H und F bis spätestens 2030 saniert sein müssen. Gebäude der Energieeffizienzklassen E, D und C müssen bis 2035 saniert werden. Der kürzliche Beschluss des EU-Parlaments geht hierfür schon einen Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht weit genug. Es finden derzeit noch EU-Parlamentsabstimmungen für die Energieabsenkung aller Gebäude auf E bis 2030 und auf D bis 2033 statt.
● Ausweitung der Sanierungstiefe: Die Sanierungstiefe im GEG hinsichtlich der Sanierung von Bauteilen der Gebäudehülle sollte als Richtwert mindestens dem EH 55-Standard entsprechen, d. h. für Außenwände i. d. R. ein U-Wert von ≤ 0,20 W/(m² K) (anstatt derzeit 0,24 W/(m2 K), für die oberste Geschossdecke U ≤ 0,14 W/(m² K) (statt derzeit 0,24 W/(m2 K) gelten.

Wie wirkt sich die Ausweitung der Sanierungsverpflichtung und -tiefe auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 15 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringen die genannten Maßnahmen bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 71 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 15 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten. 

Häufige Fragen

Aktuell sieht das Gebäudeenergiegesetz (GEG) eine Sanierung nur bei Eigentümerwechsel innerhalb von zwei Jahren vor. Es gibt keine Anforderung an die Sanierungstiefe, aber einige verpflichtende Einzelmaßnahmen, wie z.B. einen Heizungswechsel oder die Dämmung der obersten Geschossdecke.

Die EU verhandelt derzeit über eine neue Gebäuderichtlinie, die eine allgemeine Sanierungspflicht beinhalten soll. Bauministerin Geywitz spricht sich gegen eine Sanierungspflicht aus.

Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024

Ziel: Kontrolliertes Ausmustern fossil betriebener Heizungen

Icon Fossilheizungen

Siehe auch 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 942ff.

Neue Öl- und Gasheizungen sollen bereits ab 2024 nicht mehr verbaut werden dürfen, sodass bis 2035 möglichst viele Gebäude nicht mehr fossil beheizt werden.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Die im September 2023 vom Bundestag beschlossene Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sieht zwar ein schrittweises Ausmustern von Gas- und Ölheizungen vor. Doch die zahlreichen Ausnahmen - etwa die Kopplung der Pflicht zur Nutzung von 65% erneuerbaren Energien an eine vorliegende kommunale Wärmeplanung - führen dazu, dass noch über viele Jahre neue fossil betriebene Heizungen verbaut werden können, die dann wiederum viele Jahre lang Treibhausgase emittieren werden.

Was schlägt GermanZero vor?

Aus Sicht von GermanZero müssen folgende Anpassungen am GEG erfolgen:

● Verbot des Einbaus von Öl- und Gasheizungen: Die in § 71 f Abs. 1 GEG festgelegte Pflicht zur Verwendung von 65 % erneuerbarer Brennstoffe reicht nicht aus, vielmehr soll eine Anlage nur dann eingebaut werden dürfen, wenn der überwiegende Anteil des Energiebedarfs durch erneuerbare Energie oder Strom gedeckt wird. Aufgrund der schlechten Ökobilanz und der begrenzten Verfügbarkeit von Biomasse erfüllt deren Verbrennung nicht das Kriterium des Anteils erneuerbarer Energien.

● Einbauverbot für Heizungsanlagen mit fester Biomasse: Der Einbau von Heizungsanlagen mit fester Biomasse soll gemäß § 71 g GEG weiterhin möglich sein, wobei strenge Anforderungen an Speicherung, Filterung und Stromerzeugung gestellt werden. Diese Anforderungen sind zu begrüßen, ein vollständiges Verbot ist jedoch aufgrund der hohen Emissionen notwendig.

● Nur unterstützender Einsatz von Gasheizungen ab sofort: Im Bestand darf eine Gasheizung ab jetzt nur noch eingebaut werden, wenn der überwiegende Anteil des Energiebedarfs mit erneuerbarer Energie oder Strom gedeckt wird. Die Erfüllung dieser Pflicht durch die Verbrennung von Biomasse mit Ausnahme von Abfallbiomasse ist nicht möglich. Dies stellt sicher, dass Gasheizungen nur noch unterstützend eingesetzt werden, um Spitzenlasten abzufangen, aber eine nachhaltige und ausbaufähige Umstellung der Heizungstechnik erfolgt. Möglich ist danach z.B. die Nutzung einer Wärmepumpe in Kombination mit einer unterstützend eingesetzten Gasheizung in Zeiten der Spitzenlast.

Wie wirkt sich ein frühzeitiges Verbot fossil betriebener Heizungen auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 15 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt ein Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024 bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 47 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 10 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

Die jüngste Reform des GEG hat schon große Ängste vor sozialen Verwerfungen in der Bevölkerung geführt. Wie soll der Gesetzgeber sicherstellen, dass ein noch strengeres Einbauverbot für fossile Heizungen Mieter:innen und Immobilienbesitzer:innen nicht in Finanznot bringt?

In der Debatte zur GEG-Änderung wurden gezielt Einzelfälle ("Arme Rentnerin in unsaniertem Haus.") dramatisiert, um Ängste hervorzurufen und somit Stimmung gegen den Gesetzesentwurf zu machen. Am Ende stand ein halbgarer Kompromiss, der statt Klarheit zu zahlreichen Ausnahmen und Verunsicherung bei Hausbesitzer:innen führt. Für weitere Reformen des GEG sehen wir es als Aufgabe der Politik, Planungssicherheit für Unternehmen und Bevölkerung herzustellen. Außerdem muss die Politik klar kommunizieren, dass Deutschland seine Klimaziele nur erreichen kann, wenn keine fossilen Heizungen mehr eingebaut werden, und es zum Wohle aller ist, wenn jetzt auf Strom umgestellt wird, bevor fossiles Heizen aufgrund steigender CO2-Preise richtig teuer wird.

PV-Pflicht auf allen Neubauten und bei Sanierungen im Bestand

Ziel: PV-Anlagen auf allen Neubauten und allen Gebäude, die saniert werden.

Icon PV-Pflicht

Siehe auch 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 970ff.

Ein Gesetz soll bundesweit regeln, dass Gebäude das große Potenzial für Photovoltaik auszutzen.

Warum ist die Maßnahme nötig?

In Deutschland gibt es ein riesiges Potenzial für Solarenergie, das bislang kaum genutzt wird. Aktuelle Berechnungen gehen von rund 500 GW Leistung aus, die auf Dachflächen installiert werden könnten. Bisher genutzt werden weniger als 10 Prozent dieses Potenzials.[24] Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk hat typischerweise eine Leistung von 1 GW.

Was schlägt GermanZero vor?

Bislang ist die Solarpflicht auf Länderebene geregelt, und dies sehr unterschiedlich weitreichend. GermanZero schlägt eine bundesweit einheitliche Pflicht vor, die für alle Gebäude gilt.

● PV-Pflicht auf Neubauten: Der Bund sollte im GEG eine Pflicht zur Anbringung und zur Nutzung von PV-Anlagen auf geeigneten Dächern einführen, wenn ein Gebäude neu errichtet wird.

● PV-Pflicht auf Bestandsgebäuden: Gleiches gilt für Bestandsgebäude, wenn das Dach eines Gebäudes umgebaut oder erneuert wird. Die Pflicht kann auch durch das Mieten einer PV-Anlage erfüllt werden.

● Ausnahmen der PV-Pflicht: Die Pflicht entfällt, wenn das Dach bereits für eine Solarthermieanlage genutzt wird, die Anbringung der PV-Anlage im Einzelfall wirtschaftlich unzumutbar ist, öffentlich-rechtliche Pflichten (z. B. Denkmalschutz) oder technische Gründe entgegenstehen.

Wie wirkt sich die PV-Pflicht auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 15 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt eine weitreichende PV-Pflicht bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 47 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 10 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes lässt sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 (Energiewirtschaft) bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (Luftreinhaltung) stützen (vgl. dazu ausführlich Umweltbundesamt: "Photovoltaik-Pflicht mit Verpachtungskataster: Optionen zur Gestaltung einer bundesweiten Pflicht zur Installation und zum Betrieb neuer Photovoltaikanlagen", S. 40 ff.)

Klimaneutralität im Neubau

Ziel: 100 % klimaneutrale Neubauten

Icon KN Neubau

Siehe auch 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 970ff.

Jedes Gebäude, das neu gebaut wird, soll von Beginn an klimaneutral sein.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Stand heute verschlingen Bau und die Nutzung eines Gebäudes enorme Mengen an Energie. 50 Prozent seiner Emissionen entstehen bereits vor seiner Nutzung, weil die Herstellung der Baustoffe so CO2-intensiv ist.[25] Für den Energieverbrauch während der Nutzung wollte die Regierung ab 2025 den Energiestandard EH-40 vorschreiben. Doch erstens wäre dies immer noch weit von CO2-Neutralität entfernt, und zweitens denkt Bauministerin Geywitz laut darüber nach, die Einführung dieses Standards aufzuschieben.[26] Der Gebäudesektor kann nur klimaneutral werden, wenn für Neubauten verbindliche Regularien gelten.

Was schlägt GermanZero vor?

Folgende Maßnahmen sollten möglichst schnell umgesetzt werden:

● Nullenergiestandard zur Minimalvoraussetzung für Neubauten: Der Nullenergiestandard für Neubauten muss in das GEG 2023 aufgenommen werden. Dies entspricht auch dem Vorschlag der Kommission, ab 2030 Nullemissionsgebäude für Neubauten verbindlich vorzuschreiben.

● Tatsächlicher Bedarf als Maßstab: Zur Bestimmung der Energieeffizienz wird auf den tatsächlich zu erwartenden Bedarf und nicht auf ein Referenzgebäude abgestellt.[27]

● CO2-Emmissionen als Kriterium für Baugenehmigung: Die CO2-Emissionen eines zu errichtenden Gebäudes auf Basis einer Ökobilanz sollten ein Kriterium für die Erteilung einer Baugenehmigung darstellen. Dabei lässt sich die zulässige Grenze anhand eines derzeit bestehenden Durchschnittswertes für die Herstellungsphase eines Gebäudes ermitteln.[28] Dieser wird linear bis zum Jahr 2030 auf die Hälfte und bis zum Jahr 2035 auf null abgesenkt.

● Exklusive Förderung für standardübertreffende Gebäude: Nach der BEG werden nur noch solche Neubauten gefördert, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Standards verwirklichen, d. h. Plusenergiehäuser, Gebäude mit einem besonders hohen Maß an Kreislauffähigkeit, kurze Transportwege der verwendeten Baustoffe oder die Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Die momentan verfügbaren KfW-Förderungen[29] gehen hier noch nicht weit genug.

Wie wirkt sich Klimaneutralität im Neubau auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 10 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt die Klimaneutralität von Neubauten bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 47 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 10 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

GermanZero schlägt einen den Klimafolgen angemessen hohen CO2-Preis vor (s. "Reform des Brennstoffemissionshandels"). Tatsächlich ist aber völlig unklar, ob, wann und in welcher Form ein solcher Preis Realität wird. Wahrscheinlich ist, dass der CO2-Preis (zu) langsam steigen wird. Außerdem wäre es theoretisch auch dann noch möglich, weiterhin ineffiziente Häuser zu bauen, auch wenn diese sehr teuer werden würden. Die vorgeschlagene Regulierung stellt sicher, dass ab sofort nur noch klimaneutral gebaut werden darf und kann als notwendige Ergänzung oder Alternative zu einem wirksamen CO2-Preis verstanden werden.

Finanzielle Unterstützung der Mieter:innen

Ziel: Anreize und soziale Abfederung für Klimaneutralität von Mietwohnungen

Icon Mieter

Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 919f.

Vermieter:innen sollen Anreize erhalten, Mietwohnungen zu sanieren. Mieter:innen sollen dafür davor geschützt werden, dass sie die größte finanzielle Last tragen müssen, wenn CO2-Kosten steigen und ihre Wohnung energetisch modernisiert wird.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Die finanzielle Unterstützung von Mieter:innen ist aus drei Gründen wichtig: Erstens haben Vermieter:innen gegenwärtig kaum Anreize, Wohnungen zu sanieren, in denen baubedingt viel Energie verbraucht wird. Die Energiekosten müssen schließlich die Mieter:innen bezahlen. Das Gesetz zur Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen geht zwar in die richtige Richtung, jedoch bleiben die Mehrkosten in einem gut gedämmten Haus weiterhin an den Mieter:innen hängen, wenn eine fossile Heizung nicht ersetzt wird. Zweitens sind die Einsparpotenziale bei den Bewohner:innen gering, sodass auch ein steigender CO2-Preis nicht die beabsichtigte Wirkung entfalten kann, den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren.

Im Ergebnis müssen Mieter:innen für einen hohen Emissionsausstoß zahlen, den sie nicht wesentlich beeinflussen können. Treibhausgasemissionen werden nicht verringert.

Ein dritter wichtiger Punkt ist, dass die finanzielle Unterstützung Mieter:innen die Sorge nimmt, auf den Kosten gesetzlich vorgeschriebener Sanierungsmaßnahmen "sitzen zu bleiben" und in soziale Schieflage zu geraten. Das erhöht in der Bevölkerung die Akzeptanz von Maßnahmen der Wärmewende.

Was schlägt GermanZero vor?

Folgende Maßnahmen sollten möglichst schnell umgesetzt werden:

Vollständige Umlage der CO2-Kosten auf Vermieter:innen durch:
a) Änderung der Kostentragung: Damit die zusätzlichen CO2-Kosten eine Steuerungswirkung entfalten können, sollten sie vollständig den Vermieter:innen auferlegt werden.[30] Denn diese allein sind es, die über Gebäudedämmung und vor allem Heizungsaustausch entscheiden können. Weil nur fossile Brennstoffe bepreist werden, entsteht auf diese Weise zudem ein Anreiz, fossilfreie Heizungssysteme einzubauen.
b) Transparente Kostenabrechnung: Um die Transparenz in jeder Heizkostenabrechnung zu gewährleisten, ist in der Verordnung über Heizkostenabrechnung explizit eine Regelung aufzunehmen, wonach der Posten für die Umlage des CO2-Preises in der Heizkostenabrechnung gesondert auszuweisen ist.

Einführung des sogenannten Drittelmodells für energetische Modernisierungen: Derzeit werden die Modernisierungskosten als Folge der Umlagemöglichkeit nach § 559 Abs. 1 BGB ausschließlich von den Mieter:innen getragen. Eine zukünftige Regelung sollte energetische Modernisierungen für Vermieter:innen finanzierbar gestalten und für Mieter:innen optimalerweise Warmmietenneutralität gewährleisten. Das Drittelmodell hat eine gerechte Verteilung der Kosten energetischer Sanierungen zwischen Vermieter:innen, Mieter:innen und Staat zum Ziel.[31] Die Förderungen für Vermieter:innen sollen erhöht werden[32] und müssen nicht mehr von der umzulegenden Investitionssumme abgezogen werden. Die Modernisierungsumlage sinkt auf 1,5% (was ca. 3 % im heutigen System, d. h. bei Anrechnung der Förderungen, entspricht).[33] Umlagefähig sollen nach dem Vorschlag des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) nur Sanierungen sein, die die Standards KfW EH 55, 70 oder diejenigen der förderfähigen Einzelmaßnahmen erfüllen. Bei unzumutbarer Härte wird die Mieterhöhung aus öffentlichen Mitteln gezahlt; dies soll über die Wohngeldkasse erfolgen.

Wie wirkt sich die finanzielle Unterstützung von Mieter:innen auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 5 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt die finanzielle Unterstützung von Mieter:innen bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 24 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 5 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

Mieter:innen können zwar ihr Energieverhalten anpassen, aber die Einsparpotenziale sind gering. Nur bauliche Maßnahmen, die die Vermieter:innen beschließen müssen, können eine Wohnung grundlegend energieeffizient machen.

Ganz im Gegenteil würde sich die Maßnahme für den Staat sogar lohnen: Je nach angepeilter Sanierungsrate fallen für die öffentliche Hand Kosten in Höhe von 2-7 Milliarden Euro an. Dem stehen jedoch Einnahmen bzw. Ersparnisse von 4-12 Euro pro ausgegebenem Euro aus Umsatzsteuer, Einkommenssteuer und Sozialabgaben entgegen.[34]

Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe

Ziel: Einsatz klimafreundlicher Materialien

Icon

Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 919f.

Die Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe, insbesondere von Holz, soll gegenüber klimaschädlichen Materialien bevorzugt werden.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Beton trägt in Deutschland zu etwa drei Prozent der CO2-Emissionen bei.[35] Diese Emissionen lassen sich nur zu einem kleinen Teil reduzieren, weil sie größtenteils prozessbedingt entstehen.[36] Obwohl Beton nur in bestimmten Fällen bauphysikalisch erforderlich oder empfehlenswert ist, ist er immer noch der am häufigsten verwendete Baustoff[37]: So machte er im Jahr 2019 ca. 34 % des umbauten Raums bei den fertig gestellten Wohngebäuden und 58 % bei Nichtwohngebäuden aus. Holz machte hingegen bei den Wohngebäuden fast 12 % und bei den Nichtwohngebäuden nur 5 % aus.[38]

Für das Ziel der Klimaneutralität im Bau geht es darum, eine CO2-sparende Bauweise zu begünstigen, indem man die „grauen Emissionen,“ die bei der Herstellung von Baustoffen anfallen, in deren Klimabilanz einbezieht und rechtliche Folgen daran knüpft. Zudem sollte die Verwendung nachwachsender Rohstoffe als Baustoffe gefördert und Hindernisse abgebaut werden.

Was schlägt GermanZero vor?

Folgende Maßnahmen sollten möglichst schnell umgesetzt werden:

Anreize für CO2-sparende Bauweise: Angesichts der technischen Schwierigkeiten bei der Reduzierung brennstoffbedingter und Prozessemissionen ist es von besonderer Bedeutung, diese im Sinne der Abfallhierarchie[39] an erster Stelle möglichst zu vermeiden (reduce), indem Anreize für eine möglichst CO2-sparende Bauweise gesetzt und Hürden für die Verwendung alternativer, klimafreundlicher Baustoffe abgebaut werden.

Vereinbarkeit von Holzbauweise und Brandschutz: Überdies erscheint der Ausschluss von Brandwänden sowie Wänden notwendiger Treppenräume der Gebäudeklasse 5 als zu pauschal (§ 26 Abs. 2 Satz 5 MBO). Wenn in Holzbauweise der notwendige Feuerwiderstand für Brandwände und Wände notwendiger Treppenräume der Gebäudeklasse 5 hergestellt werden kann, so sollte auch die Holzbauweise hier Anwendung finden können.[40]

Wie wirkt sich die Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 5 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt die Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 24 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 5 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

GermanZero vertritt die Position, dass die effiziente Nutzung von Wohnflächen - etwa durch Bonuszahlungen für suffizientes Wohnen oder einen Rechtsanspruch auf Wohnungstausch, mit dem es Einzelpersonen leicht gemacht wird, von zu großen Wohnungen in kleinere umzuziehen - Vorrang vor Neubauten haben muss (S. 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 1032ff). Wo Neubauten jedoch nicht vermeidbar sind, sollten klimafreundliche Baustoffe zum Einsatz kommen.

Wiederverwendung & Recycling von Bauteilen und Baustoffen

Ziel: Graue Emissionen reduzieren

Icon

Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 1004f.

In die die Herstellung von Bauteilen und Baustoffen fließt sehr viel Energie. Deren Wiederverwendung leistet einen großen Beitrag, diese Energie einzusparen.

Siehe auch: 1,5-Grad-Gesetzespaket S. 1004f.

In die die Herstellung von Bauteilen und Baustoffen fließt sehr viel Energie. Deren Wiederverwendung leistet einen großen Beitrag, diese Energie einzusparen.

Warum ist die Maßnahme nötig?

Die gebaute Umwelt lässt sich als anthropogenes Rohstofflager betrachten, das bis zu 10 Mrd. Tonnen Material enthält.[41] Aktuell wird Bauschutt zwar zum großen Teil wiederverwertet, aber nur im Sinne eines Downcycling, also einer Abwertung. Hochwertige Baustoffe aus dem Hoch- und Tiefbau werden im Straßen- und Deponiebau verfüllt.[42]

Werden Bauteile wiederverwendet, so werden die zur Herstellung benötigte Energie und Ressourcen eingespart und CO2 -Emissionen vermieden. Zur Verdeutlichung: Für die Herstellung eines Mauersteins werden 7,2 MJ (2 kWh), umgerechnet 0,2 l Öl benötigt. Ein aus 130.000 Steinen eines Abbruchhauses gebautes Haus spart damit rund 26.000 l Öl.[43] Die Bedeutung dieser Betrachtungsweise wird weiter zunehmen, wenn in den nächsten Jahren aufgrund vermehrter Sanierungstätigkeit und zunehmendem Abbruch in schrumpfenden Kommunen die Bauschuttmengen ansteigen werden.[44] Auch Recycling führt zur Einsparung von Ressourcen – etwa des knapp werdenden Sandes[45] – und i. d. R. zu Energieeinsparungen. Wie signifikant diese ausfallen, hängt jedoch vom Material ab.[46] Der Energiebedarf beim Kunststoffrecycling liegt 90–99 % unter demjenigen bei der Herstellung von Kunststoff.[47]

Was schlägt GermanZero vor?

Folgende Maßnahmen sollten möglichst schnell umgesetzt werden:

Pflicht zur Rückbauplanung als Voraussetzung für Baugenehmigung: Um die Kreislauffähigkeit von Bauteilen und Baustoffen zu fördern, sollte mit dem Antrag auf Baugenehmigung eine Rückbauplanung vorgelegt werden müssen. Diese ist so zu erstellen, dass vorrangig eine Wiederverwendung durchgeführt wird und an zweiter Stelle Stoffe dem Recycling zugeführt werden.

Implementierung des Vorrangs von Recyclingbaustoffen: Der vorrangige Einsatz von Recyclingbaustoffen sollte gesetzlich verankert werden. Dies kann unter anderem durch die aktuell diskutierte Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz geschehen, mit der die Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung einhergeht.[48]

Recycling-Quoten: In Anlehnung an die Quote in § 14 Abs. 2 KrWG für Bau- und Abbruchabfälle sollten in der Verordnung klare Quoten-Vorgaben für mineralische Recyclingbaustoffe vorgenommen werden. In Betracht kommt eine Quote von 10 %, die über die nächsten Jahre ansteigt.

Vorrang für Recyclingbaustoffen bei der öffentlichen Auftragsvergabe auf Landesebene: Seit der Novelle des KrWG Ende 2020 gilt der Vorrang sekundärer, ökologisch vorteilhafter Baustoffe bei der Auftragsvergabe des Bundes (§ 45 Abs. 2 Satz 1 KrWG). Es sollten auch alle Bundesländer einen Vorrang von RC-Baustoffen einführen (zu begrüßen sind erste Schritte in Berlin und Baden-Württemberg[49]). Es kommt jedoch meist zur Kollision mit dem Grundsatz der Sparsamkeit: Weil keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen dürfen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 KrWG), werden Sekundärbaustoffe i. d. R. nicht berücksichtigt. Dies kann aufgelöst werden, indem ein fiktiver CO2-Preis auf die im Rahmen der vorzulegenden Ökobilanz aufgeführten CO2-Emissionen aufgeschlagen wird. Auf diese Weise werden RC-Baustoffe wettbewerbsfähig. Als BestPractice-Beispiel kann die Baustoff-Recycling-Strategie der Schweiz dienen: Dort werden RC-Baustoffe konsequent bei öffentlichen Bauten eingesetzt[50]. Dies wurde angemessen in der Mantelverordnung umgesetzt und tritt im August 2023 in Kraft.

Pflicht zum Rückbauplan bei Abriss: Wird eine Abrissgenehmigung beantragt, so muss zukünftig ein Rückbauplan vorgelegt werden, in dem dargelegt wird, welche Baumaterialien welcher Form der Verwertung zugeführt werden. Dies fördert bereits die bewusste Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Wiederverwendung und des Recyclings.

Wie wirkt sich die Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe auf die Gebäudeemissionen aus?

Rund 5 Prozent der nötigen Einsparungen
Nach Berechnungen von GermanZero bringt die Verwendung klimafreundlicher Bau- und Dämmstoffe bis zum Jahr 2035 CO2-Einsparungen von 24 Millionen Tonnen. Das entspricht rund 5 Prozent der Treibhausgasreduktionen, die insgesamt nötig sind, um den Gebäudesektor bis 2035 klimaneutral zu gestalten.

Häufige Fragen

Neue Baustoffe sind aktuell nur günstiger als gebrauchte, weil Folgen für Klima, Umwelt und Mensch nicht eingepreist sind.

Quellen

[1] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/uba-prognose-treibhausgasemissionen-sanken-2022-um

[2] S. z.B. die Studie von WWF und Prognos AG (2023): https://www.wwf.de/2023/august/der-hammer-heizungs-deal

[3] Expertenrat für Klimafragen (2023): Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023, S. 16. https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2023/09/ERK2023_Stellungnahme-zum-Entwurf-des-Klimaschutzprogramms-2023.pdf

[4] siehe u.a.: UBA (2023): "CO2-Preis im Gebäude- und Verkehrsbereich effektiv und sozialverträglich gestalten"; https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/co2-preis-im-gebaeude-verkehrsbereich-effektiv

[5] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/05/PD2319931121.html

[6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/08/PD233293111.html

[7] s.o.: Drei von vier Haushalten in Deutschland heizen noch mit Öl oder Gas. (Quelle: https://de.statista.com/infografik/11385/art-der-heizung-und-zum-heizen-genutzte-energietraeger/), 88 Prozent der Gebäude haben eine Energieeffizienzklasse schlechter als B. (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1284714/umfrage/verteilung-energieeffizienzklassen-immobilien/)

[8] König, 2017, Lebenszyklusanalyse von Wohngebäuden, Studie für das Bayerische Landesamt für Umwelt; https://www.lbb-bayern.de/fileadmin/quicklinks/Quick-Link-Nr-98300000-LfU-Inhalt-Lebenszyklusanalyse.pdf

[9] Berechnungen der Verbraucherzentrale Niedersachsen, https://www.merkur.de/leben/so-wirkt-sich-der-steigende-co2-preis-auf-den-geldbeutel-aus-zr-92450698.html

[10] MCC (2023): CO2-Bepreisung zur Erreichung der Klimaneutralität im Verkehrs- und Gebäudesektor. https://www.mcc-berlin.net/fileadmin/data/C18MCCPublications/2023MCCCO2-BepreisungKlimaneutralit%C3%A4tVerkehr_Geb%C3%A4ude.pdf

[11] Anmerkung: Es gibt bereits eine Regelung, nach der Vermieter:innen je nach Sanierungszustand am CO2-Preis beteiligt werden (Kohlendioxidaufteilungsgesetz). Ein Anreiz zum Heizungstausch ist aber auch mit diesem Gesetz noch nicht vorhanden.

[12] vgl. Expertenrat Klimaschutz (2023): "Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023", https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2023/09/ERK2023_Stellungnahme-zum-Entwurf-des-Klimaschutzprogramms-2023.pdf

[13] Dieser Effekt ist insbesondere in Deutschland als einem Land mit einer alternden Gesellschaft und einem in diesem Zuge sinkenden BIP interessant, vgl. Coady/Parry/Shang, Energy Price Reform: Lessons for Policymakers, Review of Environmental Economics and Policy, 2018, 12(2), 197 (197).

[14] Vgl. nur Edenhofer/Schmidt, Eckpunkte einer CO2-Preisreform, S. 5.

[15] Ebenda.

[16] PIK/MCC (2018), Eckpunkte einer CO2-Preis-Reform in Deutschland, S. 5.

[17] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Klimaschutz/kosten-klimawandelfolgen-in-deutschland.html

[18] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/Merkblaetter/merkblatt-klimawandelfolgen-in-deutschland-08.html

[19] UBA-Kurzpapier "CO2-Preis im Verkehrssektor" https://www.umweltbundesamt.de/dokument/co2-preis-im-verkehrssektor

[20] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/klimaschutz-im-verkehr#bepreisung

[21] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Langfristige Renovierungsstrategie der Bundesregierung, S. 23.

[22] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2020) Klimaschutz in Zahlen, S. 40. https://media.frag-den-staat.de/files/foi/699554/klimaschutz-in-zahlen-2020.pdf

[23] Siehe z.B. Wuppertal Institut: CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze. https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/924/

[24] Fraunhofer ISE (2023): "Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland," https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf

[25] König, 2017, Lebenszyklusanalyse von Wohngebäuden, Studie für das Bayerische Landesamt für Umwelt; https://www.lbb-bayern.de/fileadmin/quicklinks/Quick-Link-Nr-98300000-LfU-Inhalt-Lebenszyklusanalyse.pdf

[26] https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-08/bauen-neubauten-daemmung-energiestandards-klara-geywitz

[27] Jagnow/Wolff, Wärmewende und Klimaneutralität: Was sich ändern muss, https://www.tga-fachplaner.de/meldungen/stand-punkt-waermewende-und-klimaneutralitaet-was-sich-aendern-muss.

[28] DGNB, Benchmarks für die Treibhausgasemissionen der Gebäudekonstruktion, S. 7, https://static.dgnb.de/fileadmin/dgnb-ev/de/themen/Klimaschutz/Toolbox/102021_Studie-Benchmarks-fuer-die-Treibhausgasemissionen-der-Gebaeudekonstruktion.pdf?m=1633093306& (28.10.21).

[29]https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/veroeffentlichungen/bauen/rl-bundesfoerderung-kfn.pdf?__blob=publicationFile&v=2

[30] Siehe z.B. Stiftung Klimaneutralität/Agora Energiewende/Agora Verkehrswende, Politikinstrumente für ein klimaneutrales Deutschland, S. 63

[31] Vgl. dazu insbesondere ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, Sozialer Klimaschutz in Mietwohnungen.

[32] Zum Teil wurden die diesbezüglichen Vorschläge mit der ab 2021 startenden Förderung in der BEG bereits umgesetzt.

[33] Ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, Sozialer Klimaschutz in Mietwohnungen, S. 4; Agora Energiewende/

Universität Kassel, Wie passen Mieterschutz und Klimaschutz unter einen Hut?, S. 7.

[34] ifeu Institut (2019): Kurzstudie Sozialer Klimaschutz in Mietwohnungen, https://www.ifeu.de/projekt/sozialer-klimaschutz-in-mietwohnungen/

[35] Verein deutscher Zementwerke e.V., Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien, S. 13.

[36] ebd.

[37] S. z.B.: https://www.fischer-schalungsbau.de/taetigkeitsbereiche/betonkeller.

[38] Alle Zahlen: Eigene Berechnung auf Basis von Statistisches Bundesamt, Bauen und Wohnen, S. 26ff.

[39] Vgl. dazu die Richtlinie (EU) 2018/851 des europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32018L0851&from=DE

[40] vgl. Wiederkehr, Brandschutz im Holzbau - Die Schweiz setzt Massstäbe -,https://docplayer.org/34297899-Brandschutz-im-holzbau-die-schweiz-setzt-massstaebe.html

[41] Umweltbundesamt, Instrumente zur Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertigen Verwertung von Baustoffen, S. 17.

[42] https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft/urban-mining/stoffstrommanagement-im-bauwesen#verwertung-von-baurestmassen

[43] Vgl. das Beispiel bei Umweltbundesamt, Instrumente zur Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertigen Verwertung von Baustoffen, S. 18.

[44] Umweltbundesamt, Stoffstrommanagement im Bauwesen, https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft/urban-mining/stoffstrommanagement-im-bauwesen#verwertung-von-baurestmassen.

[45] Deutschlandfunk, Sand - Ein nur scheinbar unendlicher Rohstoff, https://www.deutschlandfunk.de/sand-ein-nur-scheinbar-unendlicher-rohstoff.724.de.html?dram:article_id=460151; United Nations Environment Programme, Sand and sustainability: Finding new solutions for environmental governance of global sand resources.

[46] Bimesmeier et al., Sekundärstoffe aus dem Hochbau, S. 148 ff.

[47] Ebenda, S. 148.

[48]Vgl. BMU, Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung, abrufbar unter https://www.bmu.de/gesetz/verordnung-zur-einfuehrung-einer-ersatzbaustoffverordnung-zur-neufassung-der-bundes-bodenschutz-und/.

[49]Recycling und Entsorgung, Baden-Württemberg will RC-Baustoffen in öffentlichen Ausschreibungen Vorrang geben | EUWID Recycling und Entsorgung, https://www.euwid-recycling.de/news/politik/einzelansicht/Artikel/baden-wuerttemberg-will-rc-bau-stoffen-in-oeffentlichen-ausschreibungen-vorrang-geben.html.

[50]Eu-Recycling, Recyclingbeton noch ohne Marktdurchdringung, https://eu-recycling.com/Archive/22163.

Illustrationen: Michael Kuzia, PHAT Consulting