Was bleibt von der COP auf dem Papier?
Die gute Nachricht ist: Endlich konnten diplomatische Erfolge bei der Frage nach der gerechten Finanzierung der Klimakrise bzw. ihrer Folgen erzielt werden, weil sich die Staaten darauf einigen konnten, einen „Loss & Damage“-Fonds aufzusetzen.
Die schlechte Nachricht ist: Wie schon in Glasgow weigert sich die Weltgemeinschaft den notwendigen Schritt des Kohle-, Öl- und Gasausstiegs zu vereinbaren – statt eines „phase-outs“ bleibt erneut der vage „phase-down“ – wie man ohne das schnelle Ende fossiler Nutzung das wiederholte Bekenntnis zum 1,5-Grad-Limits einhalten möchte, bleibt offen.
Was sind unsere Erwartungen an die deutsche Regierung nach der COP27?
Wir fordern: “Leading by example“. Damit das wiederholte Bekenntnis der Weltgemeinschaft zum 1,5-Grad-Limit keine PR-Farce dieser COP wird, müssen die Reduktionsziele (mitigation) jetzt national durchgesetzt werden. Das heißt, dass Deutschland bis zur nächsten Weltklimakonferenz vorangehen und den Eingangsworten von Bundeskanzler Olaf Scholz während seines Besuchs auf der Konferenz Taten folgen lassen muss: Keine Renaissance der Fossilen in Deutschland, sagte er da. Das heißt für uns, dass Deutschland den “Phase-out” der Fossilen jetzt zur Priorität machen und seine nationalen Ambitionen in der Klimaschutzpolitik steigern.
Auch beim “Loss & Damage”-Fonds erwarten wir, dass Deutschland als Mitverursacher der Klimakrise dabei eine führende Rolle einnehmen muss und eine faire Institutionalisierung vorantreibt – denn wie dieser Fonds ausgestaltet wird, blieb bei der COP27 noch offen.
Warum muss Deutschland vorangehen?
Vor allem aus vier Gründen:
· Wir haben eine moralische und völkerrechtlich bindende Verpflichtung: Wir sind global der achtgrößte Emittent und tragen eine historische Verantwortung gegenüber den vulnerablen Ländern.
· Wir stellen nur 1 Prozent der Weltbevölkerung dar, aber emittieren rund 2 Prozent der globalen Emissionen.
· Wir verfügen über wichtige Ressourcen: eine starke Wirtschaft, technologische und finanzielle Mittel, aber auch gute diplomatische Beziehungen zu fast allen Ländern dieser Welt.
· Im weltweiten Vergleich sind wir weiter als viele Staaten, Klimapolitik ist nicht mehr nur Interesse einzelner Parteien. Das ist auch in weit entwickelten Demokratien keine selbstverständliche Basis.
Wie wir vor Ort aktiv waren
Selbst bei der COP27 präsent zu sein, hat sich als sehr wertvoll erwiesen. So boten sich wertvolle Gelegenheiten für Gespräche mit hochrangigen Politiker:innen wie der deutschen Klima-Sonderbeauftragten Jennifer Morgan, EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, BMZ-Staatssekretär Jochen Flasbarth und der Obfrau des Bundestagsausschusses für Klima und Energie Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen). Besonders erfreulich war dabei, dass wir GermanZero nicht mehr vorstellen mussten und all diese Gespräche auf Augenhöhe stattfanden. Und immer wieder hieß es: Wir brauchen zivilgesellschaftliche Kräfte wie euch, die den Druck auf die Politik aufrechterhalten!
Auch für die Arbeit in Netzwerken war die COP sehr wertvoll. So konnte Lea Nesselhauf zum Beispiel die von NAJU, KLJB und anderen Jugendorganisationen durchgeführten Politikgespräche inhaltlich unterfüttern und an mehreren Panels teilnehmen, wo sie in internationaler Runde über Klimagesetzgebung diskutierte.
Und natürlich ging es auch darum, gemeinsam mit anderen NGOs bei den Verhandlungen gehört zu werden. Lea Nesselhauf ist es hier unter anderem gelungen, einen wichtigen Punkt an Fans Timmermanns weiterzuleiten. Neben den inhaltlichen Impulsen, die die auf der COP vertretenen NGOs setzen konnten, hat sich auch immer wieder gezeigt, wie wertvoll ihre Forderungen und Aktionen dabei sind, den progressiven Kräften der Klimapolitik den Rücken zu stärken.
Bedeutung der Zivilgesellschaft auf der COP27
Was die Rolle von NGOs bei der COP angeht, war es besonders bitter, dass die ägyptische Regierung zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen den Zutritt zur #COP27 verwehrt hat. Umso mehr freuten wir uns, dass wir den Menschenrechtsaktivisten Hossam Bahgat dabei unterstützen konnten, dass seine wichtige Stimme auf der Konferenz Gehör bekommt. Der Gründer der NGO Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR) darf sein Heimatland seit 2016 wegen öffentlicher Kritik am Regime unter Präsident al Sisi nicht verlassen. In den ersten Tagen der Weltklimakonferenz war er bereits mit Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Gespräch und appellierte an die deutsche Regierung mit Ägyptens Machthaber intensiver über Menschenrechte und politische Gefangene zu sprechen.
Insgesamt hinterließ die prekäre Lage vieler NGOs aus autoritär regierten Staaten einen starken Eindruck. „Manche Delegierte kehren in ihr Land zurück und werden gleich verhaftet, wegen der Dinge, die sie bei der COP gesagt haben,“ berichtet Julian Zuber. Das bedeutet auch: Ohne Druck aus der Zivilgesellschaft passiert in der internationalen Klimapolitik zu wenig. Von Ländern wie China, Iran oder Saudi Arabien darf man daher wenig Bewegung erhoffen. Umso mehr kommt es deshalb auf die zivilgesellschaftlichen Kräfte in den Ländern an, in denen die Bürger:innen ihre Meinung frei äußern können.
Unser Fazit
Zivilgesellschaftliche Organisationen, das lässt sich nach dieser COP sagen, sind heute besser vernetzt denn je, und sie spielen eine unentbehrliche Rolle als Druckmittel und Rückenstärkung für die progressiven Kräfte in der internationalen Klimapolitik. Nach Auskunft von Jennifer Morgan waren 80 Staaten auf der COP dafür, ein „Phase Out“ von Kohle, Öl und Gas zu beschließen. Dass es letztlich anders kam, ist bitter. Dass die USA ihre anfängliche Blockadehaltung aufgaben, lässt dagegen hoffen. Was jetzt zählt: Solange kein internationaler Konsens über den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen erzielt wird, müssen alle jene Staaten vorangehen, in denen die Bevölkerung stark und frei genug ist, um dies mit vereinten Kräften zu fordern.